Von Wolfram Dorrmann (Verhaltenstherapie und Psychosiale Praxis 1999, 1, 152-153)
„Sich auf andere einlassen, ohne zu verlieren.“ Mit diesem Leitmotiv hebt sich dieses Buch sehr positiv von vielen Ratgeberbüchern ab, die oft auf sehr fragwürdiger wissenschaftlicher Grundlage vor allem das „Gewinnen“ versprechen. Das Motto dieses Buches ist damit nicht nur sozial verträglich, die Autoren holen auch gerade mit dieser bescheideneren Zielsetzung die möglichen Leser dort ab, wo sie sich zum Zeitpunkt ihres erwachten Interesses oder Problembewusstseins in der Regel befinden.
Das Buch soll Menschen anleiten, in Eigenregie ihre sozialen Kompetenzen zu erweitern. Im ersten Abschnitt wird der Leser mit einem an wissenschaftlichen Erkenntnissen orientierten Modell menschlicher Kommunikation vertraut gemacht. Der Leser wird aber auch praktisch gefordert. Schon hier muß er sich mit seiner Person, z.B mit den eigenen Schwierigkeiten, positive Selbstbewertungen abzugeben, auseinandersetzen. Bei der Darstellung der Bedeutung von sozialen Situationen, Kognitionen, Emotionen und Verhalten unterscheidet sich das Buch ebenfalls von den üblicherweise an der Kognitiven Therapie orientierten Selbsthilfebüchern. Emotionen (insbesondere die negativen) werden von den Autoren nämlich nicht als lästiges Nebenprodukt unseres Denkens, sondern als „etwas sehr Nützliches“ angesehen und sie formulieren es bewußt so überspitzt, „… daß der Mensch ohne seine Emotionen nicht in der Lage wäre, rational zu handeln.“ (S.24). Diese differenzierte Darstellung, wie auch die Hinweise auf die geringen bzw. ungünstigen Effekte von Strafen auf die Veränderung von menschlichem Verhalten, werden z.T. in unterhaltsamer Weise mit Untersuchungsergebnissen und -beschreibungen belegt, wobei die Autoren sich allerdings hier – wie in den meisten Kapiteln – in ihrem Sprachniveau an einer Leserschaft mit guter Allgemeinbildung orientieren. Letzteres kann je nach Klientel als Nachteil oder als Vorteil angesehen werden.
Als Grundlage für die Anleitung zur Selbstveränderung sind die drei typischen Situationen, in denen soziale Kompetenz im Alltag gefordert sein kann: Recht durchsetzen (1), Beziehungssituationen (2) und Sympathie gewinnen (3). Diese Einteilung mag manchem Leser sehr bekannt vorkommen. Sie stammt nämlich, wie auch viele der vorgeschlagenen Übungen und konkreten Handlungsanweisungen aus dem bewährten „Gruppentraining Sozialer Kompetenzen“ (GSK), welches von einem der Autoren, Rüdiger Hinsch, zusammen mit Ulrich Pfingsten schon 1983 veröffentlicht wurde und jetzt in der 3. Auflage (1998) vorliegt. Die vorgestellten Beispiele und Übungen stammen durchweg aus unserem Alltag. Sie werden analysiert Dafür werden Regeln, Instruktionen und Handlungsstrategien sowie konkrete Übungsaufgaben vorgeschlagen.
Therapeuten der Psychotherapeutischen Beratungsstelle an der Universität Bamberg (Leitung Dr. Peter Kaimer), die das Buch auch schon als Begleitlektüre in Selbstsicherheitstrainingsgruppen eingesetzt haben, beurteilten es nicht nur für die Teilnehmer selbst, sondern auch für die eigene Vorbereitung der Trainingseinheiten als sehr gewinnbringend. Es sei eine ideale Ergänzung für Gruppenteilnehmer während des Trainings und zusätzlich ein gute Hilfe, wenn Teilnehmer später alleine weiterüben wollen.
Meines Erachtens ist dieses Buch auch für die Einzeltherapie selbstunsicherer Patienten die ideale Ergänzung. Es gelingt den Psychologen Rüdiger Hinsch und Sabine Wittmann, die üblichen Einwände gegen selbstsicheres Verhalten, die dysfunktionalen „moralischen Skrupel“ von Klienten mit treffenden Argumenten zu entkräften. So erläutern sie sehr ausführlich, den Unterschied zwischen selbstsicherem und unverschämtem (aggressivem) Verhalten bis hin zu Ironie und Sarkasmus, aber auch den Unterschied zwischen juristischen Fakten und persönlichen moralischen Ansichten. Es geht also bei dieser Art von sozialer Kompetenz nie um `die Kunst ein Egoist zu sein´, sondern immer um ein faires Miteinander.
Wolfram Dorrmann (Bamberg)